Analysen zur Erarbeitung einer Innovationsstrategie
Inhalt
» Instrumente der Strategieentwicklung nutzen – aber welche?
» Die strategische Lücke ermitteln und interpretieren
» Mit Hilfe der Produkt/Markt-Matrix Innovationsrichtungen festlegen
» Einsichten durch die SWOT-Analyse gewinnen
» Eine wichtige Grundlage: Die innovationshinführenden technologischen Stärken
» Szenarien liefern eine umfassende Zukunftsanalyse
» Pragmatische Bestimmung von Innovationsfeldern
» Identifizieren von Innovationssuchfeldern mit der Suchfeldmatrix
» Mit dem Know-how-Innovationsportfolio Innovationsfelder final festlegen
» Vervollständigung der Innovationsstrategie
Aktuelle Studien zeigen, dass viele Unternehmen sich an keiner Innovationsstrategie orientieren. Sie sammeln Ideen und wählen die besten aus; dies ist ein verschwenderisches Vorgehen: Es wird die Schrotflinte angesetzt, anstatt das passende Ziel direkt ins Visier zu nehmen. Die Studien weisen auch nach, dass Unternehmen, die eine Innovationsstrategie verfolgen, erfolgreicher sind als Unternehmen, die über Innovationsvorschläge fallweise entscheiden. Eine strategische Orientierung ist die erste aber sehr wichtige Phase im Innovationsprozess (vgl. Abb. 1).
Instrumente der Strategieentwicklung nutzen – aber welche?
Die Innovationsstrategie ist selbstverständlich Teil der Unternehmensstrategie. Sie muss mit ihr kompatibel sein, ist aber differenzierter und konkreter auszuformulieren. Die Unternehmensstrategie gibt einen Rahmen vor. „Wir wollen in allen großen Märkten mit unserem Portfolio zu den drei größten Anbietern gehören. Dieses Ziel muss mit Innovationen erreicht werden!“ Diese strategische Vorgabe schreibt der Innovationssuche einen hohen Stellenwert zu. Spezielle Analysemethoden sind nun anzuwenden, um die Innovationsstrategie zu konkretisieren.
Die Strategieentwicklung für Innovationen tastet sich über mehrere Analyseschritte an die finalen Orientierungsaussagen heran: Zunächst ist auszuloten, bis wann welches Umsatzvolumen mit Innovationen erreicht werden soll. Dann ist abzuwägen, welchen Diversifizierungssprung sich das Unternehmen zutraut; es werden Stoßrichtungen festgelegt. Auf den technologischen Stärken mit innovationsorientierendem Charakter aufbauend werden für attraktive Marktsegmente potenzielle Innovationsfelder identifiziert. Nach gründlicher Informationsbeschaffung wird schließlich von einem höheren Managementgremium entschieden, für welche Innovationsfelder die konkrete Ideenfindung und Produktenwicklung in Angriff zu nehmen ist.
In der so geschilderten Abfolge können Methoden eingesetzt werden; sie unterstützen die Entscheidungen über Teilschritte im Prozess. Zu nennen sind Gap-Analyse, SWOT-Analyse, Produkt/Mark-Matrix, Szenariotechnik, Suchfeldmatrix, Know-how-Innovationsportfolio. Es können aber auch pragmatische Vorgehensweisen verfolgt werden.
Die meisten dieser Methoden sind als Methoden der Strategieentwicklung bekannt. Im Hinblick auf die Innovationsausrichtung sind sie jedoch in bestimmter Weise anzuwenden und auszuwerten. Im Folgenden werden diese Methoden beschrieben und die Besonderheiten bei der Erarbeitung einer Innovationsstrategie herausgestellt.
Die strategische Lücke ermitteln und interpretieren
Die strategische Lücke zeigt das fehlende Umsatzvolumen auf, das auf ein Unterneh-men in fünf oder zehn Jahren zukommen könnte. Die Lücke wird ermittelt, indem man für den Betrachtungszeitraum den geplanten oder erforderlichen Umsatz der realistischen Umsatzerwartung gegenüberstellt (vgl. Abb. 2). Häufig ergibt sich für die Zukunft eine Lücke.
Für die Umsatzerwartungen durch das laufende Geschäft und bereits feststehende Wachstumsmaßnahmen empfiehlt sich eine konservative Schätzung. Eine optimistische Schätzung würde die Herausforderung, neue Umsatzträger zu schaffen, mindern.
Wie ist diese Lücke zu schließen? Kurzfristig wirken Marketingaktionen und Vertriebs-aktivitäten. Mittelfristig können Produktverbesserungen, Produktvarianten für spezielle Zielgruppen (z. B. Varianten für den Export in Länder mit anderem Konsumverhalten) oder auch produktbezogene Dienstleistungen neue Umsätze eröffnen. Auf längere Sicht müssen jedoch innovative Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt gebracht werden.
Welche Schlüsse lassen sich aus der Analyse der strategischen Lücke für die Innovationsplanung ziehen?
- Die Größe der Lücke gibt Hinweise für die Innovationssuche nach Marktsegmenten: Liegt die Umsatzlücke bei ca. 100 Millionen €, dann sind Marktsegmente mit Umsatzpotenzialen von 5 bis 10 Millionen € nicht verfolgenswert. Man müsste zu viele neue Produkte oder Geschäfte aufbauen; Verzettelung wäre die Folge. Umgekehrt wären Geschäftsfelder mit einem Umsatzpotenzial von 500 Millionen € wohl kaum zu bewältigten.
- Eine Zeitstruktur wird erkennbar: Wann muss ein neuer Umsatzträger auf den Markt kommen? Daraus leiten sich Terminvorgaben für Ideenfindung und Ideen-management, F&E-Projekte und Markteinführung ab.
- Das Bewusstsein, dass eine Lücke im Geschäft auf das Unternehmen zukommt, wird manifestiert. Aus dem »Man müsste eigentlich…« wird ein »Wir müssen…!«
Aus der Gap-Analyse können aber noch keine konkreten Innovationsausrichtungen angeregt werden.
Mit Hilfe der Produkt/Markt-Matrix Innovationsrichtungen festlegen
In einem nächsten Schritt ist eine übergeordnete Ausrichtung der Innovationssuche festzulegen. Sollen Innovationen nahe bei den gegenwärtigen Geschäftsfeldern liegen oder will das Unternehmen zwar das vorhandene Know-how nutzen, aber in weit entfernte Marktsegmente einsteigen? Oder ist es vorrangiges Ziel, im bestehenden Geschäftsbereich einen Innovationssprung durch Nutzung neuer Technologien (z. B. IT-Technologien oder Nano-Technik) zu erzielen?
Für Suchstrategien dieser Art) gibt es erfolgreiche Fallbeispiele (vgl. dazu Abb. 3): So wollte KWU als Anlagenbauer von Kernkraftwerken aus diesem Segment aussteigen; aber die Know-how-Stärken sollten in neuen Marktsegmenten eingesetzt werden. Das Feld 6 wurde anvisiert. Da das Unternehmen viel von Wasserbehandlung verstand, wurde ein Verfahren zur Reinigung anorganischer industrieller Abwässer entwickelt und erfolgreich eingeführt.
Der Druckknopfhersteller Schaeffer-Scovill nahm sich das Feld 4 vor. Als Ergebnis brachte das Unternehmen metallische Strassteile zum Anbringen auf Jeanskleidung auf den Markt. Der Hersteller von Blechverformungs- und -bearbeitungsanlagen Trumpf hat die Lasertechnik in seine Anlagen integriert und so eine Innovation im Feld 1 realisiert.
Für diese Überlegungen und Entscheidungen kann die Produkt/Markt-Matrix als Landkarte zur Innovationssuche herangezogen werden. Sie zeigt in abstrakter Formulierung mögliche Felder der Innovati¬onssuche auf. Als Ergebnis der Durchsprache dieser Matrix kann auch eine priorisierte Strategie festgelegt werden: »Wir streben zunächst Innovationen in Feld 2 an; werden wir in Feld 2 nicht oder nicht ausreichend fündig, steuern wir Feld 4 an; dann soll eventuell Feld 5 folgen.« In Abbildung 4 ist ein Fall dargestellt, in dem diese sequenzielle Strategie verfolgt wurde.
Einsichten durch die SWOT-Analyse gewinnen
Die SWOT-Analyse (SWOT steht für strengths, weaknesses, opportunities, threats) ist einerseits eine Gegenüberstellung der aktuellen Stärken und Schwächen (Ist-Analyse) sowie andererseits ein Ausblick in die Zukunft in Form einer Auflistung der Chancen und Bedrohungen oder Gefahren (vgl. Abb. 5). Für die Innovationssuche stehen die Stärken und die Chancen im Fokus. Aus der Kombination einzelner Stärken mit einzelnen Chancen lassen sich Innovationsleitlinien aufstellen. Die Schwächen und Bedrohungen sind dann ein Korrektiv; sich ergebende Innovationsleitlinien sollten nicht durch Schwachstellen oder Bedrohungen in den Erfolgsaussichten geschmälert werden.
Das Vorgehen wird am Beispiel einer Hotelgruppe in der Schweiz deutlich gemacht:
Eine Schweizer Hotelgruppe betreibt fünf Hotels. Unweit der Städte breitet sich reizvolle Alpenlandschaft aus – teilweise mittleres bis hohes Gebirge, teilweise Seen.
Die Hotels liegen alle in der Innenstadt in zentraler Lage. Sie führen Restaurants mit höherem Anspruch. Die Hotels können als gut bürgerlich bezeichnet werden.
Die Geschäftsentwicklung der Hotelgruppe stagniert; die Umsätze bröckeln sowohl bei den Übernachtungen als auch im Restaurantbereich. Eine neue Geschäftsleitung will den Negativtrend stoppen und durch innovative Konzepte wieder eine positive Ge-schäftsentwicklung erreichen. Eine SWOT-Analyse soll dafür eine erste Orientierung bieten.
1. Schritt: Aufstellen der SWOT-Analyse
2. Schritt: Bilden von Innovationsleitlinien
Innovationsleitlinien lassen sich vor allem aus den Stärken und Chancen ableiten:
- Angebot von Kurzurlauben verbunden mit Stadtführungen, kulturellen Veranstal-tungen und Rundfahrten in reizvolle Landschaften
- Erschließung der Zielgruppe wohlhabender Senioren in prosperierenden Ländern (BRIC-Länder)
- Ausrichtung auf ältere Gäste im Hinblick auf Ausstattungen, Zusatzangebote, Hilfestellungen
- Konsequente Herausstellung der Swissness (Ausstattung, Darstellungen, Speisen, Musik, Zusatzangebote) und entsprechende Schwerpunktvermarktung
- Für asiatische Gäste neben der Swissness Berücksichtigung ihrer Gewohnheiten und Wünsche (z.B. Speisen, Wellness, IT-Ausstattung)
3.Schritt: Festlegen von Innovationsleitlinien
Es ist schnell zu erkennen, dass sich nur wenige Leitlinien als Kombination von Stärken und Chancen bilden lassen. Von den fünf unter 2. aufgeführten Leitlinien ist nur die erste eine Stärken/Chancen-Kombination. Es zeigt sich ferner, dass für alle Leitlinien die Schwachstelle IT-Infrastruktur eliminiert werden muss; für die Leitlinien 1,2 und 5 erscheint eine Kooperation mit anderen Touristik-Akteuren zwingend erforderlich.
Eine wichtige Grundlage: Die innovationshinführenden technologischen Stärken
Die Innovationssuche sollte sich an denjenigen Stärken des Unternehmens ausrichten, die Orientierungscharakter für Innovationen haben. Dies sind in erster Linie Stärken im Know-how sowohl in der Produkt- als auch in der Produktionstechnologie. Zusätzlich kommen besonders gute Kenntnisse der Situation sowie des Problemlösungsbedarfs in bestimmten Kundensegmenten infrage. Andere Unternehmensstärken wie Managementfähigkeiten, IT-Kenntnisse, Qualitätsmanagement usw. wirken sich auch positiv auf die Innovationsrealisierung aus, sie kanalisieren jedoch die Innovationssuche nicht in Richtungen, in de¬nen sich die Stärken nutzen lassen. So bieten beispielsweise für ein Unternehmen des Werkzeugbaus Stärken im Projektmanagement, in der Auftragssteuerung und im Controlling keine Ansatzpunkte für neue Produkte, sondern sie sind Stärken, die schon seit einigen Jahren bestehen und die Umsetzung unterstützen. Weitere Kriterien für die Stärkenerfassung sind Patente und Lizenzverträge.
Nur solche technologischen Stärken sollten erfasst werden, die sich im Vergleich zum Wettbewerb in der Branche deutlich abheben. Keinesfalls sollten alle Fähigkeiten auf-gelistet werden, die ein Unternehmen in einer bestimmten Branche beherrschen muss.
Außerdem sollten die einzelnen Know-how-Stärken durch mehrere Mitarbeiter abgedeckt sein. Es wäre riskant, eine Innovationsstrategie auf einer Stärke aufzubauen, die nur von einem Experten beherrscht wird. (Er könnte ausscheiden oder ist in seiner derzeitigen Funktion unabkömmlich.) Somit ist die Zahl der Know-how-Stärken bei mittelgroßen Unternehmen oder Geschäftsbereichen von Konzernen meist überschaubar; sie liegt in der Regel zwischen 5 und 15.
Für einen Hersteller von Druckknöpfen und Klipsen erwiesen sich folgende technische Know-how-Stärken als innovationsführend:
- Entwicklung mechanischer Funktionslösungen auf kleinem Raum
- Know-how in der Verbindungsmechanik kleiner Metall- oder Kunststoffteile
- Integration vieler Funktionen in kleinen Einheiten
- Stanzen präziser Kleinteile
- Führen, Bearbeiten und Zusammenfügen kleiner Teile in maschinellen Anlagen
- Maschinenbau-Know-how für Spezialmaschinen zur Befestigung kleiner Teile auf flächigen, dünnen Materialien durch plastische Verformung von Metallteilen
Diese technologischen Stärken könnten direkt für die Formulierung von Innovationsleitlinien herangezogen werden.
Szenarien liefern eine umfassende Zukunftsanalyse
Die Szenariotechnik betrachtet alle externen Faktoren, die auf die Entwicklung eines Themenfeldes Einfluss nehmen. Da sie die zukünftigen Entwicklungen des gesamten externen Einflussumfeldes analysiert und prognostiziert, liefert sie Antworten auf eine Reihe von Fragen, die für die Innovationsausrichtung relevant sind; beispielhaft:
- Welche Problemfelder werden auftreten oder an Bedeutung gewinnen?
- Mit welchen politischen Maßnahmen oder Gesetzen ist zu rechnen?
- Werden sich Konsumenten in Zukunft anders verhalten als heute?
- Welche Technologien stehen zur Verfügung?
- Zeichnen sich neue Organisationskonzepte für den Vertrieb von Gütern ab?
- Könnte es Engpässe in der Versorgung mit Rohstoffen gehen?
Mit der Szenariotechnik werden in sich stimmige Zukunftsbilder für ein spezielles Thema erstellt. Im Gegensatz zur isolierten Betrachtung einzelner Trends treten keine Widersprüche zwischen einzelnen Zu¬kunftsprojektionen auf. In der Regel werden zwei oder drei Szenarien ausgearbeitet und im Hinblick auf Innovationsstoßrichtungen und
Innovationssuchfelder ausgewertet; sie regen auch direkt neue zukunftsgerichtete Produkt- oder Dienstleistungsideen an.
Eine ausführliche Darstellung des Vorgehens der Szenariotechnik geben wir im Rahmen von Manager-Wiki in einem gesonderten Beitrag.
Pragmatische Bestimmung von Innovationsfeldern
Der Kern einer Innovationsstrategie besteht in der Regel aus mehreren Innovationsfel-dern. Sie sollen auf fundierten Analysen aufbauen und im Hinblick auf die Gesamtstrategie des Unternehmens sorgfältig durchdacht sein. Wie häufig in der Unternehmenspraxis gibt es pragmatische Vorgehensweisen sowie eher methodisch gestützte Prozesse der Entscheidungsvorbereitung. Wir stellen hier ein pragmatisches Vorgehen vor.
Oben wurden Methoden dargestellt, die zur Festlegung von Innovationsrichtungen hinführen. Es ist schon angeklungen, dass sich aus diesen Analysen nicht nur strategische Richtungen, sondern auch direkt Innovationssuchfelder ableiten lassen. Besonders aus Szenarien können Innovationspotenziale erkannt und als Suchfelder aufgestellt werden.
Es spricht nichts dagegen, derartige Analysen auszuwerten und daraus Innovations-suchfelder zu formulieren. Es besteht allerdings die Gefahr, dass sich die beteiligten Manager zu schnell auf ein Suchfeld festlegen. Wir plädieren daher auch bei pragmatischem Vorgehen für einen strukturierten Ablauf.
Zunächst sollten Suchfelder zusammengetragen werden. Dies kann in doppelter Weise geschehen: Die an der Innovationsfindung beteiligten Manager und Führungskräfte bringen unter Berücksichtigung der vorliegenden Analysen Vorschläge ein; zusätzlich sollten in einer Brainstorming- oder Brainwriting-Sitzung in offener Form Ideen für Innovationssuchfelder gesammelt und ausgewählt werden. So entsteht eine Liste von Suchfeldern, die grundsätzlich in Frage kommen. Die erfolgversprechendsten Felder sind nun durch eine weitere Selektion zu ermitteln. Für diese Auswahl sind Kriterien vorzugeben wie beispielsweise:
- Marktattraktivität,
- Technologieattraktivität,
- Nutzung von Know-how-Stärken,
- Synergien zum bestehenden Geschäft,
- Kapitalbedarf.
Es bietet sich an, die Auswahl in Stufen vorzunehmen und eine Rangfolge zu bilden. Die Suchfelder, die in der Priorität die ersten Plätze einnehmen, sind dann die auserkorenen Innovationsfelder. Für diesen Auswahlprozess lassen sich folgende Methoden in Betracht ziehen:
- Individuelle Rangfolgebildung und Aggregation: Jeder Teilnehmer bildet für die Suchfeldkandidaten ein Ranking und begründet mit wenigen Worten die Positionierung. Die Rangziffern aller Teilnehmer werden addiert und führen so zu einer Gesamtrangfolge.
- Nutzwertanalyse: In Gruppenarbeit wird die Nutzwertanalyse in qualitativer Form durchgeführt; als Kriterien können die oben erwähnten herangezogen werden. Aus den Nutzwerten ergibt sich eine Rangfolge.
- Beim Paarvergleich werden alle Vorschläge zueinander in Beziehung gesetzt, der »Gewinner« jedes Zweiervergleichs erhält einen Punkt. Die Rangfolge wird nach Zahl der „gewonnenen“ Punkte gebildet. (Es ist das gleiche Verfahren, das bei der Platzierung in Fußballligen angewendet wird.)
Durch das Ranking werden aussichtsreiche Innovationssuchfelder vorgegeben. Die Zahl der Felder, die in die nächste Stufe im Innovationsprozess (Ideenfindung für Pro-dukte oder Dienstleistungen) überführt werden, sollte klein gehalten werden. Die Grö-ßenordnung 5 hat sich dabei als ausreichend herausgestellt. Sollten Felder nach der Ideenfindung an Attraktivität verlieren, können wiederum in pragmatischer Weise weitere Suchfelder entlang der Rangfolge in Angriff genommen werden.
Identifizieren von Innovationssuchfeldern mit der Suchfeldmatrix
Für das Auffinden von potenziellen Innovationsfeldern kann die Suchfeldmatrix eingesetzt werden. Besonders bewährt hat sich die Matrix mit den Parametern »Attraktive Marktsegmente« und »Technologische Know-how-Stärken« (vgl. Abb. 6). Die Suchfeldmatrix für Zwecke der Aufstellung von potenziellen Innovationsfeldern wurde in einem separaten Beitrag in Manager-Wiki ausführlich dargestellt.
Mit dem Know-how-Innovationsportfolio Innovationsfelder final festlegen
Weiter oben wurde dargestellt, wie sich auf der Basis innovationsrelevanter Analysen der Ausgangssituation und strategischer Stoßrichtungen direkt Innovationssuchfelder aufstellen und auswählen lassen.
Für Großunternehmen, die aufwändige F&E- und Innovationsprogramme verfolgen und zu entscheiden haben, wird ein pragmatisches Vorgehen nicht fundiert genug sein. In solchen Fällen sollte das Know-how-Innovationsportfolio angewendet werden. Bei diesem Portfolio wird eine Matrix mit den Dimensionen »Know-how-Nutzungspotenzial« und »Marktattraktivität« aufgespannt. Die potenziellen Innovationsfelder werden in der Matrix positioniert. Die Entscheidung über eine finale Liste von Innovationsfeldern in einem Managementgremium wird durch diese Visualisierung erleichtert; die Diskussionen laufen zielgerichteter.
Mit dem Kriterium »Know-how-Nutzungspotenzial« wird abgeschätzt, zu welchem Anteil Know-how für die Bearbeitung eines Innovationsfelds innerhalb des Unterneh-mens verfügbar ist. Hierbei unterscheidet man zwischen:
- vorhandenem Know-how, also das konkret im Unternehmen verfügbare Wissen und die vorhandenen Fähigkeiten, und
- leicht beschaffbarem Know-how, das ohne erhebliche finanzielle Mittel extern »eingekauft« werden kann (vgl. Abb. 7).
Diesem Know-how-Block steht das fehlende Know-how gegenüber, das sich nur mit hohem Aufwand akquirieren lässt (z. B. für F&E, Lizenzen, Fachkräfte etc.).
Das Know-how-Nutzungspotenzial wird von fachkundigen Mitarbeitern und eventuell durch externe Experten ermittelt. Es handelt sich hierbei um qualifizierte Schätzungen, bei denen für jedes Feld das prozentuale Know-how-Nutzungspotenzial eingeschätzt und in vorhandenes und leicht beschaffbares Know-how eingeteilt wird.
Mit dem Kriterium »Marktattraktivität« beurteilt man die Marktsituation, mit der beim Eintritt in ein Innovationsfeld zu rechnen ist. Die für die Bestimmung der Marktattraktivität zu berücksichtigenden Einflussfaktoren können unternehmensspezifisch definiert werden. Es bietet sich jedoch an, die Dimensionen »Marktgröße«, »Marktwachstum«, »Wettbewerbssituation im Markt«, »Marktzugang« und »Potenzial für die Ausweitung der Produkttechnologie« heranzuziehen. Diese Faktoren werden einzeln auf einer Punktskala bewertet. Daraus wird ein gewichteter Gesamtwert gebildet. Dieser ist wiederum auf eine Prozentskala (0 % bis 100 %) zu übertragen.
Die Wertepaare für alle potenziellen Innovationsfelder werden in die Portfoliomatrix eingetragen. Die endgültige Auswahl der Innovationsfelder wird anhand der Position in der Matrix vorgenommen. Nach einer Erfahrungsregel sollten Felder nur dann weiter betrachtet werden, wenn die Marktattraktivität über der Marke von 30 % liegt und das Know-how-Nutzungspotenzial größer als 15 % ist. Der ungleiche Prozentsatz berücksichtigt, dass die Marktattraktivität im Gegensatz zum Know-how-Nutzungspotenzial durch das Unternehmen nicht direkt beeinflusst werden kann. Felder mit geringer Marktattraktivität sind auch bei guter Know-how-Verfügbarkeit nicht verfolgenswert.
Das Know-how-Nutzungspotenzial ist hingegen durchaus vom Unternehmen beein-flussbar. Know-how kann aufgebaut und extern beschafft werden. Trotzdem sollte das Know-how-Nutzungspotenzial nicht unter 15 % liegen. Bei dieser Größenordnung ist davon auszugehen, dass zu wenig Wissen vorhanden ist, um die Bearbeitung eines Innovationsfeldes überhaupt zielgerichtet anzugehen.
Aus der Matrix lassen sich drei Empfehlungen ableiten:
- Felder, die in dem Bereich unter den gewählten Mindestgrenzen für Marktattraktivität und Know-how-Nutzungspotenzial liegen, sollten nicht weiter verfolgt werden (Bereich »Innovationsfelder nicht verfolgen«).
- Ein Innovationsfeld, das eine Marktattraktivität von mehr als ca. 70 % aufweist, und für das man zu mehr als ca. 60 % auf vorhandenes und leicht beschaffbares Know-how zurückgreifen kann, sollte auf jeden Fall weiter bearbeitet werden (Bereich »Innovationsfelder bearbeiten«). Liegt die Know-how Abdeckung allerdings bei nahezu 100%, so empfiehlt sich eine Überprüfung im Hinblick auf neue Technologien, die integriert werden sollten. Greift man für ein neues Anwendungsfeld ausschließlich auf vorhandenes technologisches Know-how zurück, könnte der Blick auf neue technologische Gestaltungsmöglichkeiten verstellt sein.
- Die übrigen Innovationsfelder sind wiederum zu priorisieren und zu selektieren (Bereich »Innovationsfelder prüfen«). Eine Priorisierung lässt sich gut auf Basis der im Portfolio abgebildeten, d. h. im Erstellungsprozess gesammelten Informationen, vornehmen. Die finale Auswahlentscheidung hängt stark von der Risikobereitschaft des Unternehmens und der Kapitalbereitstellung für neue Projekte ab.
In der Portfoliomatrix lässt sich eine weitere Dimension darstellen, die ebenfalls der Information und Selektion dient. Mit der Größe der Kreise für die einzelnen Innovations-felder lässt sich z. B. das geschätzte Investitionsvolumen (für F&E, Anlagen, Gebäude etc.) abbilden, mit dem bei der Bearbeitung eines Felds zu rechnen ist.
Der nachfolgende Kasten zeigt die Selektion und Entscheidungsbildung von Innovati-onsfeldern nach dem Know-how-Innovationsportfolio anhand eines Beispiels aus der Stahlbranche.
Anwendung des Know-how-Innovationsportfolios für einen Stahlkonzern
Ein Stahlkonzern suchte neue innovative Geschäftsfelder. Auf der Grundlage einer umfassenden Analyse der Ist-Situation und potenzieller Marktsegmente wurden Innovationsfelder identifiziert. Nach einer Vorauswahl verblieben 14 Felder. Dann kam das Konzept des Know-how-Innovationsportfolios zur Anwendung.
Das Know-how-Nutzungspotenzial wurde in der Projektgruppe wie folgt bestimmt: Zu-nächst wurde konkret aufgelistet, welches Know-how erforderlich ist, um im potenziel-len Innovationsfeld ein Geschäft aufzubauen und dauerhaft zu betreiben. Anschließend wurde markiert, welche dieser Know-how-Bündel im Konzern vorhanden sind, problemlos aufgebaut oder extern beschafft werden können. Anschließend wurde abgeschätzt, wie hoch der Anteil des vorhandenen Know-hows am erforderlichen Gesamt-Know-how ist (vgl. Abb. 8).
Die Matrix wurde dem Vorstandsvorsitzenden und einem weiteren Vorstands¬mitglied vorgestellt und erläutert: Die Felder 1, 6 und 7 wurden sehr schnell positiv entschieden; ebenso wurde das Ausscheiden der Felder 3, 10 und 11 bestätigt. Die restlichen Felder wurden länger diskutiert: Die Felder 5 und 9 wur¬den dann ebenfalls ausgeschlossen. Zwei Felder (4 und 8) wurden der Gruppe zur weiteren Informationsvertiefung zurückgegeben. Die Felder 2, 12, 13 und 14 wurden nach der Diskussion ebenfalls genehmigt. Von den 14 potenziellen In¬novationsfeldern konnten somit 7 sofort weiterverfolgt werden; über zwei Felder war nach der Informationsvertiefung noch zu entscheiden.
Vervollständigung der Innovationsstrategie
Es wurden verschiedene methodische Ansätze vorgestellt, die eine fundierte Grundlage liefern, um Innovationsfelder aufzustellen. Sie bilden in ihrer Summe den Kern einer Innovationsstrategie. Die Innovationsstrategie eines Unternehmens enthält zusätzlich noch weitere strategische Festlegungen. Zu nennen sind:
- F&E- und Innovations-Budgets
- Investitionen im F&E-Bereich (Infrastruktur, Großgeräte)
- Strategie der Beantragung von öffentlichen Fördermitteln
- Organisationsstruktur von F&E und Innovationsmanagement
- Regionale Verteilung der Kapazitäten (zentral vs. regional)
- Servicefunktionen der F&E für andere Bereiche oder Funktionen im Unternehmen
- Kooperationsstrategie
Bei diesen Punkten handelt es sich um gesetzte Rahmenbedingungen, die bei der In-novationssuche und -realisierung zusätzlich zu beachten sind.
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