Prognosemärkte – Bessere Prognosen durch das Wissen vieler
Inhalt
» Bündelung des Wissens vieler Personen
» Anwendungsbeispiel: Umsatzprognose
Vertiefung
Handelsblatt Prognosebörse
Wolfers, Zitzewitz: Prediction Markets
Bündelung des Wissens vieler Personen
Ist das Ziel der Prognose klar definierbar, doch sind die dahinter liegenden Informationen und Zusammenhänge schwer zugänglich, so können Prognosemärkte ein geeignetes Werkzeug sein, um zu möglichst guten Aussagen über die Zukunft zu gelangen. Viele Situationen zeichnen sich dadurch aus, dass es keinen Experten gibt, der die Vielzahl von Einflussfaktoren und deren Auswirkungen allein beurteilen könnte, während viele verschiedene Personen Teilaspekte sehr wohl einschätzen können. Beispiele sind ökonomische Entwicklungen (Zinssätze), politische Entwicklungen (Wahlergebnisse), Markt- und Branchenentwicklungen (Erfolg von Produkteinführungen, Branchenwachstum, Wettbewerberverhalten), technologische Trends (Erfolgschancen einer Technologie im Markt) oder unternehmensbezogene Entwicklungen (Umsatzverlauf eines Produktes, fristgerechte Umsetzung eines Projektes).
Ein Prognosemarkt versucht den Marktmechanismus zu nutzen, um das individuelle Wissen und die Erfahrungen von Personen zu bündeln. Dem Vorgehen liegen die Annahmen zugrunde, dass die Informationsbasis für Entscheidungen besser ist, wenn sie den Informationsstand vieler Personen einbezieht, und dass Märkte die effizienteste Form der Aggregation individueller Informationen sind. Ein gut funktionierender Wertpapiermarkt beispielsweise sorgt dafür, dass die Preise der gehandelten Wertpapiere alle über das zugrunde liegende Objekt verfügbaren Informationen widerspiegeln. An die Stelle der Entwicklung eines Unternehmens als Basis für den Wert einer Aktie tritt bei Prognosemärkten der zu prognostizierende Parameter oder das zu prognostizierende Ereignis als Basis für die Wertentwicklung eines Wertpapiers.
Anwendungsbeispiel: Umsatzprognose
Ist das Ziel beispielsweise die Umsatzprognose eines bestimmten Produkts, können den Teilnehmern Wertpapiere zur Verfügung gestellt werden. Ein Wertpapier könnte „70" genannt werden, mit analogen Umsatzwerten. Jeder Eigentümer des Wertpapiers „30-70" erhält später 1 Euro Auszahlung, wenn der tatsächliche Umsatz im Bereich 30-70 Millionen Euro liegt. Dasselbe gilt für die anderen Wertpapiere. Liegt der Umsatz außerhalb der Spanne, so sind die jeweiligen Wertpapiere wertlos.
Die Marktteilnehmer – beispielsweise Vertriebsmitarbeiter aus verschiedenen Regionen – können diese Wertpapiere über einen bestimmten Zeitraum auf einer Internet-basierten Plattform handeln. Sie erhalten eine Anfangsausstattung an Wertpapieren und Barmitteln. Nach Ablauf des Spiels wird der erzielte Handelsgewinn an die Teilnehmer ausgezahlt. Da das Spiel über einen längeren Zeitraum gespielt wird, haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich näher mit dem Thema zu befassen und zusätzliche Informationen einzuholen. Außerdem können sie am aktuellen Wertpapierkurs die Gesamteinschätzung aller Marktteilnehmer ablesen und mit ihrer eigenen vergleichen. Ein Kurs von 0,35 Euro für das Wertpapier „>70" bedeutet in diesem Fall, dass die alle Marktteilnehmer in Summe dem Eintreten eines Umsatzes von mehr als 70 Millionen Euro eine Wahrscheinlichkeit von 35% zumessen. Schätzt ein Marktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit auf 50%, so kann er eine Kauforder über 50 Euro für das entsprechende Wertpapier aufgeben. Aufgrund der Anreizstruktur ist damit zu rechnen, dass die Teilnehmer ihre tatsächlichen Erwartung offen legen und keine bspw. politisch motivierten Einschätzungen geben.
Die Gestaltungsmöglichkeiten eines Prognosemarktes sind zahlreich. Bei der Ausgestaltung der Wertpapiere können verschiedene Auszahlungsmechanismen gewählt werden, die Ausgestaltung des Handelsplatzes, der Handelszeiten und der Spieldauer bieten viele Optionen, und auch das Anreizsystem kann sehr unterschiedlich angelegt sein. Eine sorgfältige Ausgestaltung ist wichtig, um ein gutes Funktionieren der Märkte zu gewährleisten. Hierzu gehören die Gewährleistung ausreichender Liquidität, die Unterdrückung von Manipulationsversuchen und die Vermeidung von spekulativen Blasen. Schließlich hat natürlich auch die Auswahl der Marktteilnehmer entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis.
Handelsblatt Prognosebörse
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Wolfers, Zitzewitz: Prediction Markets
Der Artikel bietet einen ausführlichen Überblick über Anwendung, Nutzen und die verschiedenen Typen von Prognosemärkten.
Autor: Achim Sztuka