Einführung von Zielvereinbarung bei der TIGGES GmbH & Co. KG
Erfahren Sie, wie ein mittelständisches Unternehmen der Metallindustrie seine gesamte Mitarbeiterschaft auf die strategisch relevanten Unternehmensziele ausrichtete. Mithilfe des Zielprämiensystems erzielte das Unternehmen in den Folgejahren beachtliche Gewinnsprünge. |
Inhalt
» Zielsetzung und Projektplanung
» Gestaltung und Konzeption
» Roll-out und Umsetzung
» Erfolgscontrolling und kontinuierliche Verbesserung
» Übertragung der Systematik auf weitere Unternehmensbereiche
Vertiefung
» Download: Tool zur Erstellung von Zieloptimierungstabellen
TIGGES ist weltweit einer der führenden Spezialhersteller von Verbindungselementen. Durch die hauseigene Fertigung in den Bereichen Kaltumformung, Zerspanung und Warmumformung sowie eigener Konstruktion und Werkzeugbau gelingt TIGGES die Produktion von individuellen Sonderanfertigungen in allen Losgrößen.
Zielsetzung und Projektplanung
Mithilfe eines innovativen Zielprämiensystems, welches die Wenn-Dann-Verknüpfung, die Zieloptimierung und die Hebesatz-Kombination integriert, sowie einer mitarbeiterzentrierten Implementierung und Umsetzung gelingt es der Geschäftsführung, die Belegschaft auf die strategisch relevanten Unternehmensziele auszurichten. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Performance auf Team- und Individualebene fungieren entsprechende, zumeist qualitative Kriterien als obligatorische Voraussetzungen für die Ausschüttung der Zielprämie.
Für Geschäftsführer Jens Tigges war insbesondere der Beitrag wichtig, den Zielprämiensysteme für die präzise Steuerung des Unternehmens leisten können. Er prägte den Grundsatz "Es sollen alle an Erfolgen beteiligt werden, die daran beteiligt sind."
Der erste Projektschritt war ein Entscheider-Workshop für die oberen Führungskräfte.
Die oberen Führungskräfte stellten die folgenden Projektziele in den Vordergrund:
Im Workshop wurde die Einführung des neuen Zielprämiensystems in drei Schritten beschlossen: Mit einem Pilotprojekt im Vertrieb sollte begonnen werden. Sobald dort erste Erfahrungen vorlagen, sollten strukturell ähnliche Systeme in Fertigung, Werkzeugbau und Konstruktion etabliert werden. Im dritten Schritt sollte die Übertragung des Zielprämiensystems auf alle weiteren Unternehmensbereiche erfolgen.
Das Controlling stellte umfangreiches Zahlenmaterial bereit, das Rückschlüsse auf anzustrebende sowie zu vermeidende Effekte zuließ. So hatte etwa die bei Zielübererfüllung greifende Deckelung des bisherigen Prämiensystems dazu geführt, dass Vertriebsmitarbeiter Aufträge in die Folgeperiode schoben. Die Vertriebsführungskräfte berichtete zudem, dass das "Tiefstapeln" – die geringe Bereitschaft der Mitarbeiter zur Vereinbarung anspruchsvoller, hoher Ziele – zu ineffizienten Zielvereinbarungsprozessen geführt hatte. Den Vertriebsmitarbeitern war bewusst, dass sie lukrative Prämien leichter erreichen können, wenn die "Latte" möglichst niedrig liegt. Aus diesem Grunde wurde das Verfahren der Zieloptimierung sowohl von der Geschäftsführung als auch von der Vertriebsleitung als besonders geeignet angesehen. Mit diesem wird eine Bereitschaft der Mitarbeiter erreicht, ausschließlich möglichst hohe Ziele zu vereinbaren.
Für modern geführte Unternehmen ist das System der Zieloptimierung daher eine bedeutsame Weiterentwicklung der traditionellen Zielvereinbarung. Es trägt den strategischen Absichten von mitunternehmerischem Handeln in hohem Maße Rechnung, da höhere und realistischere Ziele vereinbart und auch sicher erreicht werden. Es gilt:
Da die Zielvereinbarung weiterhin quartalsweise erfolgen sollte, um kurzfristigen Steuerungserfordernissen nachkommen zu können, legte die Vertriebsleitung ein besonderes Augenmerk auf die Effizienz der Zielvereinbarungsgespräche. Bei dem Verfahren der Zieloptimierung wird führungsseitig ein Fenster vorgegeben, in dessen Rahmen sich der Mitarbeiter selbst die von ihm angestrebte Zielhöhe auswählt. Auf diese Weise ist die Zielvereinbarung nach etwa 30 Minuten abschließend erfolgt.
Gestaltung und Konzeption
Ziel der zweiten Projektphase ist es, das unternehmensspezifische Zielprämiensystem zu gestalten und die Umsetzung vorzubereiten. Die für die Zieloptimierung charakteristischen Tabellen (Tool kostenlos > Ressourcen) wurden vom Controlling mit Zielhöhen und Prämienbeträgen gefüllt. Der Deckungsbeitrag wurde als Messgröße für die individuelle Performance beibehalten.
Die vertikale Achse der Zieloptimierungstabelle gibt den Rahmen der vom Vertriebsmitarbeiter frei wählbaren Zielhöhe wieder. Der unterste Wert der Skala (hier: 100.000 Euro Deckungsbeitrag) spiegelt den niedrigsten Wert wider, für den eine zusätzliche Prämie ausgeschüttet wird.
Die horizontale Achse gibt die Zielerreichung an. In der zu der anvisierten Zielhöhe gehörigen Zeile stehen die Prämienbeträge, die bei der jeweiligen Zielerreichung zur Ausschüttung kommen. Die Diagonale zeigt auf, welcher Betrag ausgeschüttet wird, wenn die gewählte Zielhöhe plangenau erreicht wird. Wird bspw. von einem Vertriebsmitarbeiter "120.000 Euro Deckungsbeitrag" als Ziel gewählt, gilt für seine Prämie nur noch die entsprechende Zeile (siehe Abbildung).
Erreicht er das gewählte Ziel genau, so enthält er demnach 1.111 Euro Prämie. Erfüllt der Vertriebsmitarbeiter sein selbstgesetztes Ziel jedoch nicht, so verringert sich seine Prämie, beispielsweise auf 466 Euro bei einem erzielten Deckungsbeitrag von 112.000 Euro. Bei Übererfüllung hingegen steigt die Prämie weiter an: Ab 124.000 Euro Deckungsbeitrag erhält der Mitarbeiter 1.292 Euro Prämie, bei 140.000 Euro sogar eine Prämie in Höhe von 2.195 Euro. Hätte der Mitarbeiter jedoch die erreichten 140.000 Euro Deckungsbeitrag vorab als Ziel gewählt, wären ihm 3.146 Euro Prämie sicher gewesen. An diesem Beispiel wird deutlich:
Tiefstapeln lohnt sich nicht.
Dieser Mechanismus der Zieloptimierung stellt sicher, dass die vom Mitarbeiter gewählte Zielhöhe in höchstem Maße anspruchsvoll und zugleich realistisch ist. Er ist es, der die freie Bestimmung der Zielhöhe durch die Adressaten überhaupt erst gestattet.
Aufgrund der degressiven Gestaltung der Prämie im Bereich der Zielübererfüllung ist keine Deckelung erforderlich. Auch auf der horizontalen Achse der Zielerreichung ist 140.000 Euro nur zur Veranschaulichung als oberster Wert festgelegt. Das Resultat: Der ungehinderten Entfaltung der individuellen Performance ist keine Grenze gesetzt: Es besteht auch kein Anlass dazu, Aufträge in die Folgeperiode zu verschieben.
Die unternehmensstrategischen Ziele "Steigerung des Exportanteils" sowie "Steigerung des Anteils der Nicht-Automotive-Aufträge" wurden durch eine Wenn-Dann-Verknüpfung umgesetzt. Hierzu formulierte die Vertriebsleitung Bedingungsziele: Diese obligatorisch zu erfüllenden Voraussetzungen wurden entsprechend ihrer Relevanz mit Punkten versehen. Sofern der Vertriebsmitarbeiter keine 35 Punkte erreicht, würde der Anspruch auf die Zielprämie des betreffenden Monats verfallen.
Durch konsequente Stammkundenpflege sollten sich die Vertriebsmitarbeiter bereits einen monatlichen Grundstock an Punkten aufbauen können. Doch allein hierdurch können die erforderlichen 35 Punkte nicht erreicht werden. So stehen ergänzend die Neukundengewinnung als punkteträchtiges Ziel zur Verfügung oder auch Tätigkeiten wie etwa die Besuchsplanung des Folgemonats. Hier werden die zentralen Charakteristika der Wenn-Dann-Verknüpfung deutlich: Es geht um das Erzielen von Nachhaltigkeit sowie um eine Entlastung der Führungskräfte.
Im Vertrieb wurden Teams gebildet, die aus drei Verkäufern und je einem Verkaufs-Sachbearbeiter und einem Kalkulator bestanden. Diese Neuorganisation zielte darauf ab, die Prozesse der Auftragsgewinnung zu optimieren. Um dies zu unterstützen, wurde die "Auftragstrefferquote" als Teamziel definiert. Diese spiegelt wider, wie hoch der Anteil der erhaltenen Aufträge an den insgesamt erstellten Kalkulationen bzw. Angeboten ist.
Die beiden Ziele "individueller Deckungsbeitrag" und "Auftragstrefferquote des Teams" sollten jedoch nicht jeweils für sich alleine stehend eine Zielprämie auslösen. Um sie zu verknüpfen, wurde die Hebesatz-Kombination genutzt: Ein Hebesatz wird durch eine zweispaltige Tabelle umgesetzt, wobei jedem Zielzustand ein Faktor zugeordnet ist, der auf die individuelle Zielprämie wirkt (siehe Abbildung). Diese kann somit um bis zu 50 Prozent zusätzlich gesteigert werden.
Im Zusammenwirken dieser beiden Messgrößen wird die unternehmensstrategische Ausrichtung für jeden Mitarbeiter spürbar, das eigene vertriebliche Handeln insbesondere auf die lukrativen, einen hohen Deckungsbeitrag versprechenden Anfragen zu konzentrieren – und diese dann auch zum Auftrag zu bringen.
Roll-out und Umsetzung
Es ist das Ziel der dritten Projektphase, dass die Mitarbeiter und die Führungskräfte das Zielprämiensystem mit all seinen Regelungen, aber auch seinen Leitgedanken, Zielen und Werten verstehen, unterstützen und regelkonform umsetzen. Nachdem die Betriebsvereinbarung für das Zielprämiensystem geschlossen war, wurde eine Informationsveranstaltung durchgeführt. Von den versammelten Mitarbeitern wurden insbesondere die Zieloptimierungstabellen und die Möglichkeit zur selbstbestimmten Wahl der Zielhöhe außerordentlich positiv aufgenommen.
Um das Erreichen der individuellen Deckungsbeitragsziele, die Realisierung der Voraussetzungen und der möglichst hohen Trefferquote zu sichern, lässt sich die Vertriebsleitung im Zielvereinbarungsgespräch von jedem Mitarbeiter die Maßnahmen erläutern, die dieser zu ergreifen plant. Auf diese Weise wird zudem der Erfahrungsschatz und das enorme Ideen- und Kreativpotential der Mitarbeiter genutzt.
Der Zielerreichungsprozess wird durch ein Zielerreichungsgespräch abgeschlossen. In der bei TIGGES gepflegten performance- und erfolgsorientierten Unternehmenskultur werden die kleinen und großen Erfolge der Vertriebsmitarbeiter vor allen Kollegen aufgezeigt und entsprechend gewürdigt.
Erfolgscontrolling und kontinuierliche Verbesserung
Maßgebliche Aufgaben der letzten Pilotprojektphase, zeitlich nach Abschluss der Zielperiode gelegen, sind das Erfolgscontrolling sowie die kontinuierliche Verbesserung des Zielprämiensystems. Bereits wenige Tage, nachdem es etabliert war, konnten bedeutsame Erfolge verzeichnet werden:
Für das Folgejahr beschlossen die Führungskräfte eine gleichmäßige Anhebung bei den Tabellenachsen. Zudem wurden die Pflege der Kundendatenbank und die Erstellung von Besuchsberichten als Bedingungsziele aufgenommen. Zur weiteren Entlastung der Führung kam die pünktliche Abgabe der Reisekostenabrechnung hinzu.
Das Zielprämiensystem wird bis heute kontinuierlich erweitert und aktualisiert. Es bleibt hierdurch "lebendig", allen Beteiligten stets präsent und handlungsleitend.
Übertragung der Systematik auf weitere Unternehmensbereiche
Einige Monate nach dem erfolgreichen Start des Zielprämiensystems im Vertrieb wurde die Übertragung der Systematik auf die Produktion in Angriff genommen. In enger Zusammenarbeit mit dem Controlling entwickelte der Produktionsleiter zunächst die zentralen Ziele für die jeweiligen Abteilungen. Im Zerspanungs- und Umformungsbereich konzentrierte er sich auf die beiden Aspekte "Zeitgewinn" und "Bedienerverhältnis".
Der Zeitgewinn wurde über einen Vergleich der Fertigungsgesamtzeit mit der kalkulierten Zeit ermittelt. Mithilfe des Stundensatzes können erzielte Zeitgewinne unmittelbar monetär bewertet werden. Das Bedienerverhältnis, ermittelt aus dem Soll-Ist-Vergleich der benötigten Mannstunden, fungierte auf Teamebene als Hebesatz. Auf vergleichbare Weise wurden die Prämien in Arbeitsvorbereitung, Werkzeugbau und Konstruktion systematisch ausgestaltet.
Als Bedingungsziele formulierten die Führungskräfte der Produktion sowohl individuelle wie abteilungsbezogene Kriterien. Hiermit sollte ein Anreiz dazu geboten werden, sich gegenseitig beispielsweise im Bereich der Qualität, der Sauberkeit oder bei der Behälterkennzeichnung zu unterstützen.
Hiernach erfolgte die Übertragung der Modellstruktur auf die Unternehmensbereiche Logistik, Instandhaltung, Qualitätssicherung und Einkauf. Die Geschäftsführung legte Wert darauf, über das Unternehmen hinweg bis hin zu den Führungskräften eine einheitliche Zielprämiensystematik ohne logische Brüche und Widersprüche zu etablieren.
Im Interview mit Profits, dem Unternehmermagazin der Sparkassengruppe, fasste der Geschäftsführer Jens Tigges zusammen: "Die Produktivität steigt seitdem zwischen 2 und 5 Prozent jährlich, während sie vorher lange Zeit stagnierte oder sogar rückläufig war."
Er nutzt die Business-Erfolge des Zielprämiensystems weiterhin konsequent für die Verbesserung des Unternehmensimages und, im Hinblick auf den immer spürbarer werdenden Fachkräftemangel, zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität seines Betriebs: "Mit unserem performanceorientierten Zielprämiensystem, das einen starken Schwerpunkt auf die mit-unternehmerische Verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters legt, ziehen wir Leistungsträger und High Potentials magnetisch an und binden sie fest an das Unternehmen."
Autor: Gunther Wolf
Literatur:
1. Weißenrieder, Jürgen (Hrsg.): Nachhaltiges Leistungs- und Vergütungsmanagement: Klarheit schaffen, Führung unterstützen (Wiesbaden): Springer Gabler 2014. ISBN: 978-3658041595.
2. Wolf, Gunther: Variable Vergütung: Genial einfach Unternehmen steuern, Führungskräfte entlasten und Mitarbeiter motivieren. 4. Auflage (Hamburg) Dashöfer Verlag 2014. ISBN 978-3-931832-65-0 (E-Book) und 978-3-931832-67-4 (Druck).
3. Wolf I.O. Group GmbH: Variable Vergütung [elektronisch Veröffentlicht: www.variable-verguetung.de], Stand 19.08.2014.
Download: Tool zur Erstellung von Zieloptimierungstabellen
(Passwort: vivanow)
Bild oben © Rainer Sturm PIXELIO'